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Handlungsfeld: Bauen

Die Baustelle der Zukunft: das Haus als Ressourcenlager

Klimaschutz bezog sich beim BVE bisher schwerpunktmäßig auf die Energieversorgung und den Energieverbrauch. Nun gerät die nächste große Baustelle in den Blick: die Materialien, die im Wohnungsbau zum Einsatz kommen.

»Cradle to Cradle®« bedeutet übersetzt »Von der Wiege zur Wiege« und bezeichnet als Designprinzip »die potenziell unendliche Zirkulation von Materialien und Nährstoffen in Kreisläufen. Dabei sind alle Inhaltsstoffe chemisch unbedenklich und kreislauffähig. Müll im heutigen Sinne gibt es nicht mehr, sondern nur noch nutzbare Nährstoffe«. So beschreibt es die EPEA GmbH, die das Prinzip mitentwickelt hat, auf ihrer Website.

Schadstofffreie und nachwachsende Baustoffe
Beton und Zement verursachen in der Herstellung viel CO2. Außerdem sind sie – zumindest noch – nicht recyclingfähig. »Besser sind deshalb schadstofffreie und nachwachsende Baustoffe, die wiederverwendbar sind oder dem biologischen Kreislauf zugeführt werden können«, sagt Axel Horn aus dem Vorstand des BVE. Metall beispielsweise kann gut recycelt werden, wenn es entsprechend verbaut wurde. Holz ist ebenfalls wiederverwendbar oder kann nach seiner Verwendung dem natürlichen Kreislauf zugeführt werden.

Nachdenken über die Häuser
und Wohnungen von morgen

BVE-Vorstand Axel Horn

Viele Wohnungsunternehmen und Projektentwickler:innen experimentieren derzeit mit nachhaltigen Baustoffen und -prinzipien. Auch der BVE macht sich darüber Gedanken. »Der erste Schritt ist, dass wir sehr genau prüfen, ob ein Haus stehen bleibt oder abgebrochen wird. Denn zum einen ist der Neubau sehr CO2-intensiv. Das gilt umso mehr, je mehr Technik in den Häusern verbaut wird. Zum anderen haben gerade die sehr alten Häuser häufig eine ausgezeichnete Substanz und bessere energetische Eigenschaften, als man denkt«, weiß Axel Horn.

Mehrgenerationenwohnen mit Holzmodulen
Beim Neubau möchte auch der BVE künftig nachhaltigere Baustoffe verwenden. Konkrete Planungen gibt es bereits für ein Grundstück an der Franzosenkoppel in Hamburg-Lurup. Hier befindet sich aktuell ein kleines Einkaufszentrum mit sechs Wohnungen in den darüberliegenden Etagen. Das Gebäude aus den frühen 1970er-Jahren soll in den nächsten Jahren durch Neubauten ersetzt werden, und zwar möglichst durch Holzreihenhäuser in Modulbauweise.

»Wir sehen das als Pilotprojekt an, das wir gern ausprobieren möchten«, sagt Axel Horn. »Module, die übereinandergeschichtet werden, sind günstiger, weil sie seriell gefertigt werden können. In Lurup möchten wir in dieser Bauweise Mehrgenerationenwohnen ermöglichen: Im Modul unten könnten die Großeltern wohnen und in den beiden Modulen darüber eine Familie mit Kindern. Das passt sehr gut in die heutige Zeit.«

Mehrwert ohne Mehrkosten
Hieraus soll sich idealerweise ein Haustyp entwickeln, der an anderen Stellen ebenfalls gebaut werden kann. Denn der Neubau der Zukunft muss in den Augen des BVE Mehrwert bieten, ohne mehr zu kosten. Langfristig kann die Modulbauweise ein Hebel hierfür sein. Weitere Ansatzpunkte sind neue Baustoffe und kürzere Bauzeiten, aber auch der Verzicht auf unnötige Technik, die Betriebs- und Wartungskosten verursacht.

»Zu glauben, dass man nur genug Technik einbauen muss, damit die Menschen energiesparend leben, hat sich als Irrweg erwiesen«, sagt Axel Horn. »Deshalb verändern wir unseren Fokus: weg von der Technik, hin zu den Baustoffen. Die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen schont die Umwelt und ist gut für die Bewohnerinnen und Bewohner. Das wird in Zukunft der Weg sein.«

»Die energetischen Aspekte haben wir schon gut im Griff. Jetzt schauen wir auf die Baustoffe«

Axel Horn

Vorstandsmitglied



Josephine Arfsten ist Architektin und Projektleiterin mit Schwerpunkt Projektentwicklung beim BVE. Sie beschäftigt sich intensiv mit dem Baustoff Holz. Unter anderem begleitet sie ein Azubi-Projekt, das sich mit diesem Thema auseinandersetzt.

Welche Vorteile hat der Baustoff Holz?

JOSEPHINE ARFSTEN: Holz ist einer der nachhaltigsten und klimafreundlichsten Baustoffe. Es speichert CO2, anstatt es zu verbrauchen, es wächst nach und es hat sehr gute Speicherfähigkeit. Dadurch entsteht ein angenehmes Raumklima, insofern ist es auch gut für die Bewohnerinnen und Bewohner. Außerdem hat Holz eine sehr hohe Tragfestigkeit im Verhältnis zum Eigengewicht.

Welche Einsatzbereiche gibt es im Wohnungsbau? Beziehungsweise:
Was kann man aus Holz nicht bauen?

JOSEPHINE ARFSTEN: Die meisten Holzhäuser werden in Hybridbauweise errichtet. Das bedeutet: Der Erschließungskern und der Sockel sind aus Stahlbeton. Der Rest ist aus Holz. Auch wenn künftig mehr mit Holz gebaut werden wird, gehe ich davon aus, dass die Keller und die Gebäudesockel weiterhin aus Beton sein werden – allein wegen der Feuchtigkeit des Erdreichs.

Hat der BVE schon Erfahrungen mit dem Holzbau?

JOSEPHINE ARFSTEN: Nein, aber wir wollen das jetzt ausprobieren und Mehrfamilienhäuser in Modulbauweise errichten. Dabei kommt ein weiterer Vorteil dieses Baustoffs zum Tragen: der hohe Vorfertigungsgrad. Wenn wir die Module, die wir benötigen, anderswo fertigen lassen können, verkürzt sich die Bauzeit vor Ort enorm. Im Moment befinden wir uns in der Phase der Marktanalyse und suchen nach einem Unternehmen, das für uns die Module bauen kann.

Die EPEA hat eine Broschüre über das Designprinzip »Cradle to Cradle®« für Gebäude herausgebracht. Sie steht auf www.epea.com kostenlos zum Download zur Verfügung.

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